mehr im Archiv
BABEL
– Babelogue
Pattis Werk BABEL wurde 1978 veröffentlicht. Es enthält ihre Gedichte, Prosa, Lyrik, Bilder und Zeichnungen.
1985 erschien eine zweisprachige Auflage – ins Deutsche übersetzt von Walter Hartmann.
Herr Hartmann (in “Rock Session 2“, 1985) über Pattis BABEL:
«Was Patti Smith schreibt, sitzt wie eine Wolfskralle im Fleisch, hat den Zauber einer animalischen Erotik… Seltsam: die gleiche Faszination vom Klang ihrer Stimme findet sich wieder im geschriebenen Wort. Rhythmus hochtouriger Poesie. Was bei Poeten sonst eher ein seltener Zufall ist. Eine Schreibe, die sich kaum beschreiben lässt, kryptomane Klangbilder, Momentaufnahmen schonungsloser Selbstfindung, nur knapp skizziert, doch absolut treffsicher.
Träume, nicht nur von Rimbaud (<0 Gott, wie ich ihn begehre>) … Und alles dies aus der Feder einer Frau: das tut gut, gibt Hoffnung – weder wird hier kränkelndes Emanzengesabber noch Wald-und-Wiesen-Poesie als Lyrik verkauft, hier werden Bereiche erschlossen, in die sich sonst gerade das weibliche Geschlecht viel zu selten vorwagt – und nie in dieser Rücksichtslosigkeit»
Original Buchcover, 1978 (Coverfoto: Lynn Goldsmith)
Unter anderem findet man Pattis berühmten Text BABELOGUE in BABEL, welcher auf ihrem 3. Studioalbum EASTER ebenfalls 1978 erschien.
Buchcover der zweisprachigen Ausgabe, 1985
(Coverfoto: Hans H. Kirmer)
BABELOG
Ich hatte nie was mit der Vergangenheit am Hut, aber dafür jede Menge mit der Zukunft, über die seidige Haut ziehen sich Narben von Splittern der Bühnen und Wände, die ich zärtlich berührte. Wie Helen mit ihrem Pflock, hatte auch ich mit jedem hölzernen Dorn meinen Spaß. Den Erfolg einer Nacht maß ich stets daran, wieviel Pisse und Rotze ich über die Säulen verspritzte, die das PA hielten. In manchen Nächten überraschte ich alle damit, dass ich mir ein Kleid aus grünem Netz anzog, es war mit flachen runden Metallplätchen besetzt, die zitterten und blitzten. Die Lichter strahlten violett und weiß. Eine zeitlang versuchte ich’s mit einem dekorativen Schleier. Aber damit hab ich’s nicht lang ausgehalten. Als mein Haar abgeschnitten war, sehnte ich mich nach einem Schutz. Doch nun ist das Haar selbst mein Schleier, und der Skalp eines verrückten und schläfrigen Komantschen liegt unter dem Gewebe der Haut.
Ich wache auf. Ich liege friedlich da und meine Schenkel öffnen sich der Sonne. Ich begehre ihn und er wird mich bestens bedienen. Von Hause aus bin ich Moslem. Dem Herzen nach bin ich ein amerikanischer Künstler und mir keiner Schuld bewusst. Ich suche nichts als die Lust.
Ich suche die Nerven unter deiner Haut. Den schmalen Bogengang. Die Schichten. Die alten Papyrusrollen. Wir verehren den Schönheitsfehler. Den Leberfleck am Bauch einer exquisiten Hure.
Eine, die ihre Seele nicht an Gott verkauft hat.
– Auszug aus:
Patti Smith BABEL, Lieder und Texte Zweisprachig, Deutsch von Walter Hartmann, 1985, babelog, S.401
BABELOGUE auf Englisch und Deutsch